Gottes unglaubliche Wege mit einer Urwaldfrau
In jedem Menschen ist etwas von Gott zu entdecken, denn Gott schuf den Menschen nach seinem Spiegelbild. Also, je mehr unterschiedliche Menschen man wirklich kennen lernt, um so mehr kann man überhaupt über Gott und dessen Wege erfahren.

Ich bin jetzt so alt, daß es an der Zeit ist, auch mal meine allerunglaublichste Kongogeschichte aufzuschreiben.
Übrigens, wer nicht an das Unglaubliche glauben will, der kann auch nicht wirklich etwas über Gott und dessen Wege wissen.
Immer wieder hatte ich hier und da von einer geheimnisvollen Frau, der Prophetin Anne gehört. Eines Tages bin ich dann in Basankusu ihrem leiblichen Sohn Thomas Longendja Bokakala begegnet. Und er war bereit, mir alles zu erzählen, was er als Kind und auch später erlebt hatte Bevor ich abreiste, hat er mir vier Schulhefte voll geschrieben, damit ich auch nichts vergessen würde. Weil vieles in den Heften sehr ausführlich geschildert worden war, musste ich kürzen.
Ich hatte ja mehrere Quellen aber in Basankusu, im Kongourwald, hat Thomas Longendja mir 2002 eine ganz wundersame Kupferplatte gezeigt, worauf die Sonne, ein liegendes Schaf und eine aufgeschlagene Bibel abgebildet waren.

Er sagte: „Diese Platte hat mir meine Mutter, Anne Bosandjo, 1969 durch einen Piloten der Air Zaïre, aus Kairo Ägypten hier in den Kongo, geschickt. Das ist aber nun alles schon lange her.“
Da habe ich gleich gefragt:
„Die Platte sieht ja geheimnisvoll aus, aber wie kam deine Mutter denn überhaupt nach Ägypten? War sie denn so reich, dass sie solch eine Reise machen konnte?“
„Nein, Mama hatte überhaupt kein Geld. Sie war eine ganz einfache Urwaldfrau, aber auch eine Prophetin, oder eher eine Mystikerin und vielleicht war sie sogar eine Heilige, “ meinte er, „und ich denke, dass sie hauptsächlich zu Fuß gegangen ist. Meine Mama hat nämlich mal in den Himmel hinein gesehen und hat überall berichtet, wie schön es denn im Himmel ist. Wenn du willst, schreibe ich dir das alles mal auf.“

Als Mama in die Sonne laufen wollte
Es war im zehnten Monat des Jahres 1947. Damals gehorchten die Männer den Anweisungen der Weißen, und die Frauen hatten ganz zu schweigen.

Wir wohnten auf der Missionsstation Ikau, und ich war vielleicht zehn Jahre alt und wir schliefen zusammen in der Hütte. Als meine kleine Schwester weinte, versuchte Papa unsere Mama wecken, aber sie blieb wie tot liegen. In der Not schickte Papa mich, doch ganz schnell zu Lady Anstis, der englischen Missionarin, zu laufen. Lady Anstis war die Gattin des Missionars, der hier die evangelische Mission leitete und ich lief so schnell ich konnte zu ihrem Haus.
Die Missionarin war schon aufgewacht und stand oben auf der Veranda. Sie genoss die Morgenkühle und schaute zu den Orchideen, die in kleinen Kästen an den Obstbäumen hingen, die dicht bei den Missionshäusern standen und Schatten gaben. Das Missionshaus war ein Holzhaus, gebaut auf hohe Ziegelsteinsockel.
Die Lady war sehr mager und immer blass und hatte auch immer blasse Kleider an, und sie hatte oft Malaria und andere Krankheiten. Aber ich liebte sie, und sie mochte mich auch, und manchmal durfte ich zu ihr auf die Veranda. Dann unterhielten wir uns über den Himmel und über Tiere und Menschen auf der Erde. „Wir hatten Angst um dich. Wir dachten, daß du gestorben wärest“
Natürlich durfte ich, so wie alle andern im Dorf, nie in das Haus, aber von der Veranda konnte ich hineinsehen. Nur unser Papa, der durfte ins Haus, denn er war damals von allen als Hausboy ausgesucht worden. Wenn jemand Hausboy bei Weißen sein durfte, war das eine äußerst hohe Auszeichnung und es hatte viele Vorteile.
Ich berichtete atemlos, und Lady Anstis fuhr sofort mit dem Fahrrad los, und ich lief so schnell ich konnte hinterher. Mama war da gerade aufgewacht. Das halbe Dorf war zusammen gelaufen, solchen Wecklärm hatte Papa gemacht. „Wir hatten Angst um dich. Wir dachten, daß du gestorben wärest“, sagte Papa. „Nein“, sagte Mama, „ich war nicht tot. Ich habe sogar gehört, wie du mich wecken wolltest und laut gerufen hast. Ich konnte nicht antworten, weil mein Mund wichtigeres zu tun hatte.“ Alle standen ratlos um Mamas Bettgestell, und sie wollte gerne eine Tasse Tee trinken.
Lady Anstis fragte, ob Mama Schmerzen hätte oder schwindelig wäre und sie eine Tablette haben wolle. „Ich bin ganz gesund“, meinte Mama. „Dann will ich auch wieder gehen“, sagte Lady Anstis freundlich zu Papa. Aber zu unserer Nachbarin sagte sie: „Halte die Anne doch mal im Auge wenn Thomas zur Arbeit geht.“
Als Papa zur Arbeit gegangen und wir allein waren, setzte Mama sich neben den Eingang unserer Hütte und sah gerade in die aufgehende Sonne hinein. Ich merkte nach einiger Zeit, daß Mama auf ihrem kleinen Hocker hin und her wiegte. Dann stand sie plötzlich auf, sah genau in die Sonne hinein und ging, als wollte sie gerade in die Sonne hinein gehen.
Als sie an das hohe Gras kam, gingen ihre Füße ganz leicht und behutsam. Es sah aus, als ob sie kein eigenes Gewicht mehr hätte. Ich merkte, daß sie über die Spitzen des Grases ging, ohne, daß es sich umgebogen hätte. Sie kam dahin, wo das Gras hoch wie ein Mann war, und das Gras knickte nicht ein, und Mama schritt hoch oben darüber.
Ich lief hinter ihr her, um zu sehen, ob ich mich auch wirklich nicht täuschen würde. Mama lief hoch oben über die Spitzen des Elefantengrases, und das Gras trug sie. Als das die Nachbarin sah, schrie sie, lief hin und zog Mama am Bein. Mama fiel hin, und dann wälzten sich beide auf dem Boden.
Ich rannte zu Papa. „Die Mama will in den Dschungel flüchten, aber die Nachbarin hat sie eingefangen“, rief ich, als ich wieder Luft hatte.
Zu Hause kämpften die Nachbarn mit unserer Mama und alle schrieen durcheinander. Papa bat die Nachbarn, Mama loszulassen, und bald waren wir wieder allein.
Später kam Lady Anstis mit Doktor Wide, der gerade hier war und Mamas Fieber messen wollte.
Abends sind wir aber zu Mamas Schwester ins Nachbardorf Bombeka gezogen. Alle hatten Angst, Mama könnte etwas zustoßen, wie ihrem Bruder, der von einem bösen Geist in den Urwald getrieben wurde und dort umgekommen ist.

Der magische Stern
Mitten in der Nacht weckte Papa mich und sagte: „Die Mama ist weg, hast du etwas gehört?
Papa lief in großer Angst hinaus, zur Toilette, zum Fischerufer am Fluss und nachher mit einer Petroleumlampe in den Urwald, zum Friedhof, wo Mamas Mutter beerdigt liegt. Die Verwandten wurden alle wach, rannten herum und diskutierten.

Als die Sonne aufgegangen war, kam eine Frau aus Basankusu und rief: „Die Frau von Thomas Longendja steht am Hafen im Wasser und alle Leute haben Angst. Thomas soll sie sofort da wegholen.“
Der Hafen von Basankusu ist acht Kilometer entfernt und jemand lieh Papa aus Mitleid ein Fahrrad. Er fand Mama zwischen zwei Polizisten, die sie bewachten, bis sie abgeholt würde. Die hatten aber nur Angst, Mama könnte etwas zustoßen. Papa setzte Mama aufs Fahrrad und brachte sie zurück.
Als alles still und wir allein waren, hat Mama mir ihre Füße gezeigt und hat gefragt: „Wie viele Wunden habe ich unter den Füßen?“ Ich zählte an dem einen Fuß drei und an dem andern auch drei. „Diese sechs Wunden zeigen an, daß in dieser Nacht, auf der Erde, sechs Leute berufen worden sind“, sagte Mama. Weiter hat sie nichts mehr gesagt.
Aber am späten Nachmittag hat Mama allen Nachbarn gesagt: „In dieser Nacht sind 6 Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern von Gott berufen worden. Wir kennen uns noch nicht. Ich werde nach Osten gehen, zu dem Platz, den Gott zeigt, um da mit den anderen zusammenzutreffen. Unsere Botschaft ist: „Jesus kommt wieder! Dieses Versprechen wird eingehalten! Selbst, wenn das schon vor langer Zeit und schon oft ausgesprochen wurde. Alle Menschen sollen wieder erinnert werden, denn er kommt wirklich. Wir sollen alle unsere Herzen vorbereiten!“

Sie berichtete weiter: „Ich sah einen Stern im Osten. Der Stern sah aus wie eine Vogelfeder, und eine große Kraft ging von ihm aus.Er weckte mich im Schlaf und brachte mich auch hinaus. Ich bin wie im Schlaf gegangen und wusste nicht, wo ich war oder wo ich hin ging. Aber ich habe die eisernen Schienen unter den Füßen gefühlt, die in Basankusu zum Sägewerk führen. Jemand hat mich an der Schulter berührte und zum Hafen ins flache Wasser geschoben. Da war der wunderbare Stern auch zu sehen.
Ich fühlte mich ganz leicht, und hörte die wunderschöne Stimme, die mir den Auftrag für die Menschen der Welt gegeben hat. Ja, ich bin berufen worden!
Ich hatte diese himmlisch-schöne Stimme ja auch schon gehört, als ich über das hohe Gras gelaufen bin, und wenn die Nachbarin mich nicht zurückgeholt hätte, wäre ich da schon direkt in den Himmel gelaufen.
Danach arbeitete Mama viel in ihrem Feld und im Haus und war die beste Mama der Welt. Papa freute sich auch über seine gute Ehefrau, und wir vergaßen alle, daß diese Zeit vielleicht nur einen Monat lang dauern sollte.

Der kleinste Affe sieht die Schlange zuerst
Dann fing Mama an herumzureisen und den Leuten zu predigen, und Papa und wir Kinder gingen anfangs noch mit ihr.
Einmal predigte sie sogar in einer Kirche und sang ein nie gehörtes Lied. Alle Leute waren über die Predigt und das Lied verwundert Mama hatte ja noch nie öffentlich gepredigt oder gesungen. Auch hatte niemals jemand eine solche Predigt gehört. Sie schwärmte regelrecht davon, wie schön der Himmel ist, in den sie hinein gesehen hatte, und sie konnte viele wunderbare Einzelheiten berichten.
Dann fing Papa aber an, sich über Mamas ewige Reiserei zu ärgern. Zuletzt nahm er das Fahrrad, um Mama zurück zu holen. Sie war 20 Kilometer weit nach Lisafa gegangen. Aber abends kam Papa alleine und ganz müde wieder zurück. Er war wirklich wütend und sehr müde und sagte: „Eure Mama hat tatsächlich den Heiligen Geist bekommen, sonst hätte ich sie garantiert irgendwo gefunden.“
Auch Lady Anstis hat ein paar Tage später versucht, Mama zur Vernunft zu bringen. Mama hat mir danach erzählt, daß Lady Anstis gesagt hätte: „Bleib doch zu Hause, und kümmere dich besser um deine Familie, und wenn wir unsere nächste Evangelisationstour mit dem Auto machen, kannst du ja mal mitfahren und erzählen, was Gott dir aufgetragen hat.“ Mama hat ihr geantwortet: „Der kleinste Affe sieht zuerst, daß die Schlange kommt.“ Dann ist sie grußlos weggegangen. Die Weiße hätte mit ihrem Angebot, das was Gott Mama aufgetragen hatte, wahrscheinlich nur blockiert.
Beginn der Reisen
Eines Tages ist Mama wortlos weggegangen, und es kam ein großer Regen. Mama hatte vorsorglich ein großes Bananenblatt genommen, um sich und das Baby damit zu schützen. Der Regen zog aber ganz langsam voran und die Leute am Fluss haben erzählt, daß Mama, ohne nass zu werden, vor der Wetterwand herlief. Papa wollte Mama zurückholen, aber er musste bis zum Abend warten.

Er dachte, daß Mama bei dem Wetter nicht weit gekommen wäre, aber sie war immer gerade vor dem Regen hergegangen und ist in der Nacht noch 20 km weit bis Nsongo gekommen. Wir Kinder hofften sehr, daß sie von selbst wiederkommen würde, aber sie kam nie wieder.
Wir hörten von Mama aus dem Dorf Waka das über 90 km entfernt liegt und wo die belgische Kolonialverwaltung, eine Schule und eine große Ölpalmplantage waren. Mama hat dort vor vielen Leuten gepredigt und sogar zwei Weiße haben zugehört. Zudem hatte sie da die Frau des Gemeindevorstehers geheilt, die ein ganz böses Geschwür hatte und nicht mehr laufen konnte.

Als die evangelischen Missionare in Ikau das hörten, waren sie sehr entrüstet und haben Papa befohlen: „Du fährst jetzt und holst sofort deine verrückte Frau zurück und verbietest ihr, weiter herumzupredigen!“ Weil sein Fahrrad so schlecht war, haben sie ihm noch neue Reifen geschenkt.
Er fuhr weg und meine kleine Schwester Marie und ich blieben allein in der Hütte zurück. Aber nach einer Woche kam Papa ohne Mama zurück und hat uns von ganz unverständlichen Dingen erzählt, die er gesehen hätte:
„Ich habe eure Mama wirklich in Waka getroffen, und sie freute sich, mich zu sehen. Aber mitten in der Nacht wurde ich wach, denn es war plötzlich ganz hell in der Hütte, und Mama unterhielt sich mit jemandem in einer mir unbekannten Sprache. Als sich meine Augen an das grelle Licht gewöhnt hatten, erkannte ich, daß da jemand auf einem Stuhl saß. Er hatte weiße Haare und einen ganz weißen Bart und trug strahlendweiße Kleidung. Als die Beiden ihre Besprechung beendeten, wurde es wieder stockfinster im Raum. Am Morgen habe ich Mama gefragt, wer das sei und was sie miteinander besprochen hätten, aber sie hat mir nichts gesagt.“
Papa hat Mama erklärt, daß sie nun wieder mit ihm zurück müsste und Mama willigte ein. Sie gingen schweigend, aber nach einigen Kilometern passierte etwas Beängstigendes. Papa erklärte: „Plötzlich kam eine Wolke, wie eine dunkle Mauer vom Himmel herunter und versperrte uns den Weg, und es wurde ganz dunkel um uns. Die Leute bei uns schrien: „Wir kommen um! Wir werden alle sterben!“ Mama weinte, aber dann drehte sie sich um und ging, so schnell sie nur eben konnte, wieder in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Ich habe gesehen, je weiter Mama sich entfernte, umso mehr hob sich die Mauer, die vom Himmel gefallen war, wieder auf, und bald schien die Sonne wieder.
Aber in Waka schrien uns die Leute an: „Geht nur weg aus unserm Dorf! Sonst bringt ihr uns allen noch den Tod.“ Mama hat dann zu mir gesagt: „Hast du nun selbst gesehen, daß ich nicht mit dir zurückgehen kann? Ich muss meinen Weg weiter nach Osten gehen. Dann haben wir beide geweint. Sie ging, und ich bin schweren Herzens wieder zurückgefahren.“

Papa ging am nächsten Tag zu den Missionaren und erzählte alles, aber sie wollten ihn nicht hören und sagten: „Du bist der Mann und hast die Verantwortung, daß deine Frau sich ordentlich verhält. Hole sie sofort zurück und verbiete ihr alle weiteren Reisen. Wenn du das nicht willst, kannst du ja mit ihr ziehen. Hier auf der Mission kannst du dann nicht mehr bleiben und arbeiten! Geh jetzt!“

So ist Papa nach einer Woche wieder gefahren und fand Mama in einem Dorf über 120 Kilometer entfernt. Und da nahm er sie mit Gewalt fest, um ihre Reisen endgültig zu beenden.
Der Missionar Anstis, bei dem Papa angestellt war, kam an diesem Tag mit seinem Auto da vorbei, und Papa hielt ihn an und berichtete ihm, daß er Mama festgenommen hätte. Anstis freute sich und Papa fragte: „Kannst du uns auf der Rückreise nicht mitnehmen?“ Der Weiße war gerne einverstanden und versprach, in zwei Tagen zu kommen. Sogar Mama war damals einverstanden.

Als der Weiße aber nach zwei Tagen zurückkam, ist er einfach an Papa vorbeigefahren und hätte Papa, der auf der Straße winkte und ihn anhalten wollte, fast überfahren. Papa war ganz entsetzt, aber Mama sagte: „Ich glaube, daß Gott dich für den Weißen unsichtbar gemacht hat. Wenn der Weiße angehalten hätte und ich eingestiegen wäre, wäre sicher etwas passiert. Es ist gut, daß er weiter gefahren ist. Willst du nicht einfach mit mir gehen?“ Papa war einverstanden. Und sie kamen nach Baringa, wo sie in der großen, alten englische Missionsstation mit dem großen Krankenhaus, übernachteten und wo Dr. Wide arbeitete.
Als sie weiterziehen wollten, sagte Dr. Wide heimlich zu Papa: „Geh du schon mal voraus ich habe Polizisten bestellt, die sollen deine Frau unterwegs, nicht weit von hier, verhaften, bestrafen und nach Ikau zurückbringen.“
Die Polizisten sahen Papa und fragten, ob er der Mann der Frau sei, die überall predige und auch die Finsternis auf das Dorf Waka hat fallen lassen? Nachdem Papa bejahte, sagten sie: „Dann haben wir viel zu viel Angst, deine Frau zu verhaften, sie wird uns umbringen. Dich hat sie nur verschont, weil du ihr Mann bist. Wir hauen ab! Sollten sie uns vom Dienst entlassen, haben wir wenigstens unser Leben gerettet.“Sie flüchteten in den Wald und Papa wartete, bis Mama kam, und dann sind sie gemeinsam weitergezogen.
In einem Dorf blieben sie 12 Tage, aber dann sagte Mama: „Ich glaube, daß du zurückfahren solltest.“ Papa hat geantwortet: „Denkst du eigentlich gar nicht an unsere Kinder? Wie kann ich sie alleine versorgen?“ „ Gott wird euch bewahren. Geh zurück und kümmere dich um unsere beiden Kinder, die Gott dir gegeben hat. Ich kümmere mich um unser Baby.“
Er hat uns berichtet: „Wir hatten dort eine Hütte für uns alleine und ich merkte, daß Mama sich mehrmals am Tag, lange Zeit, alleine hinter der Hütte aufhielt. Da habe ich mal nachgesehen, was sie da macht und sah, daß eure Mama weinte. Sie weinte so heftig, daß ihre Tränen auf die Brust tropften. Ganz vorsichtig habe ich sie gefragt: „Anne, warum weinst du so?“. Sie hat geantwortet: „Ich bitte Gott die ganze Zeit, daß ich mit dir zurück zu unsern Kindern gehen darf, aber er will nicht.“

Papa sagte mir: „Ich nahm sie mit in die Hütte und sah endlich ein, daß es absolut unmöglich sei, sie zu bewegen, zurück zu gehen und ihre Reise zu beenden.“ Zu Mama hat er damals gesagt, daß er allein zurück gehen wolle, und daß sie Gott gehorchen müsse, wie schwer es auch immer sei. Da weinte Mama noch mehr.
Sie sind dann hinausgegangen und Mama hat Papa noch ein Stück auf seinem Weg begleitet. Dann ist sie umgekehrt. Und Papa kam nach drei Wochen wieder zu uns nach Ikau zurück. Er kam alleine, ganz traurig und ganz müde.
Als Papa weg war, um Mama zu suchen, haben wir viel geweint. Wir waren ja noch klein, und man hatte uns so lange ganz allein gelassen. Niemand wollte uns helfen. Die Missionare nicht, und von der Gemeinde bekamen wir auch keine Hilfe. Wir lebten davon, was ich so fand oder zusammen bettelte. Ich war ja erst 11 Jahre alt.
Eines Tages sah ich aber in unsere Hütte auf unserer Schlafmatte Geld liegen. Zuerst hatte ich Angst, aber danach nahm ich es, und wir konnten einige Zeit davon leben. Niemals habe ich herausbekommen, wer das Geld dahingelegt haben könnte.
Mama hat wohl dann den Maringafluß überquert und von irgendwo hat sie mir sogar einen Brief mit 10 Franc geschickt.
Von Djolu bis Bongandanga sind es 200 km und es gibt Urwaldstrecken von 50 km, wo niemand wohnt. Plötzlich versperrte ihr da ein Mann mit seinem Speer in der Hand den Weg. Er wollte zustechen, aber Mama soll zu ihm gesagt haben: „Du bleibst jetzt starr da stehen, mit deinem Speer in der Hand!“ Der Mann erstarrte und Mama ging an ihm vorbei und kam ins nächste Dorf.
Dort sagte sie den Leuten, die sie begrüßten, daß sie predigen wolle und eine gute Nachricht für alle hätte, und daß sich alle unter einem Baum versammeln sollten. Aber im Wald stünde noch jemand, der sie ermorden wollte. Ob man den nicht eher holen könnte. Einige Männer sind trotz Zweifel losgegangen und fanden den Mann mit dem Speer in der Hand. Sie stießen ihn an, und er erwachte, wie aus tiefem Schlaf. Dann brachten sie ihn ins Dorf und er bat Mama um Vergebung und versprach, so etwas niemals wieder zu tun. Ich habe zu viel Angst, wieder zu erstarren“, sagte er.

Dann hat uns auch jemand berichtet, daß zwei Polizisten Mama in einem anderen Dorf verhaften wollten, als sie gepredigt hat. Als sie Mama anfassen wollten, wurden sie plötzlich blind. Später, als Mama schon lange weg war, konnten sie wieder sehen, und als sie sich bei Mama entschuldigen wollten, fanden sie sie nicht mehr.
Dann haben wir eine lange Zeit gar nichts mehr von Mama und dem Baby gehört, und wir konnten nur für sie beten und Gott um Bewahrung für Mama und das Baby bitten und darum, daß wir noch mal ein Lebenszeichen von ihr bekämen. Das bekamen wir dann auch. Eine Bekannte kam mit dem Schiff aus Bongandanga den Loporifluß herab und brachte uns ein Bündel geräucherte Fische, die Mama ihr für uns gegeben hat.
Sie hat uns aber auch erzählt, was dort passiert war. In Bongandanga ist auch eine evangelische Missionsstation mit einer Druckerei. Als Mama dort ankam, ließ man sie nicht predigen, sondern verhaftete sie, um sie mit einem Dampfschiff, auf dem Loporifluß, endgültig nach Ikau zu transportieren.
Bald war ein Schiff startbereit, und es wurde beheizt, bis genug Dampfdruck da war. Sie brachten Mama an Bord, aber genau in dem Moment, als Mamas Fuß das Schiff betrat, soll der Dampfdruck auf Null gefallen sein.
Ich habe später selbst einmal mit dem Kapitän sprechen können und er hat mir alles genau erzählt. Sie haben mehrere Versuche gemacht und alles kontrolliert. Dann hat es aber einen Tumult an Bord gegeben, als die andern Passagiere erfuhren, was passiert sei. Alle habe durcheinander geschrien: „Wir kommen alle um! Wir werden alle sterben!“ Die Leute hätten das beladene Schiff so ins Schwanken gebracht, daß sie auch noch Angst bekamen, es würde kentern. Dann hat der Kapitän befohlen, daß man Mama mit dem Kind von Bord bringen sollte. Als sie aber das Schiff verließ, ging der Druck sofort wieder auf Position Normal. Alle waren ganz entsetzt und schnell machte man die Leinen los. Aber Mama konnte der Bekannten noch die geräucherten Fische geben.
Eines Tages bekam Papa eine Vorladung vom belgischen Distriktkommissar in Basankusu, weil seine Frau, Anne Bosandjo, in Poko, in der Provinz Ober-Congo, verhaftet worden sei. Sie wird von zwei Polizisten auf einem Schiff, auf dem Congo-Fluss, bis Lolanga begleitet. „Du sollst deine Frau dort abholen und nach Basankusu bringen. Verstanden?“
Als Papa das erzählte, weinten wir sehr: „Willst du mich und meine Schwester wieder ganz alleine lassen?“ Papa war auch ganz unglücklich, aber er fuhr mit dem nächsten Schiff nach Lolanga.

Mama war in Poko wirklich verhaftet worden, und zwei Polizisten haben sie gefesselt nach Kisangani ins Gefängnis gebracht. Dem Aufseher wurde berichtet, daß die Gefangene schon drei Tage nichts mehr habe essen wollen. Da brachte man sie erst mal ins Krankenhaus, mit dem Ergebnis, daß sie ganz gesund sei. Sie kam in ein besonderes Zimmer, das verschlossen und von zwei Polizisten Tag und Nacht bewacht wurde. Mama aß und trank nichts. Aber die Polizisten erlebten jeden Nachmittag, daß Mama plötzlich, mit dem Baby, außen neben der Türe saß. Bananenschalen lagen neben ihr, und sie sang Jesuslieder. Bereitwillig ließ sie sich immer wieder einsperren. Aber an dem Tag, als ein Schiff fertig war und ablegen wollte, war Mama Anne plötzlich absolut unauffindbar.

Papa hat nur wenige Tage in Lolanga warten müssen, bis das Schiff kam. Aber Mama war nicht auf dem Schiff. Aber Mamas Freundin Marie Ekoto war auf dem Schiff und hat ihm erzählt: Ich komme aus Kisangani und habe dort auch Mama Anne getroffen, aber sie war ganz abweisend. Das habe ich nicht verstanden. Die beiden Polizisten haben mir aber alles über sie erzählt. Ich habe auch noch aufgepasst, ob man sie doch noch findet und verhaften würde, aber das Schiff ist ohne sie abgefahren. In Yangambi sind wir dann auf einer Sandbank aufgelaufen und hingen mehrere Tage fest. Dort ging ich von Bord und sah da eine große Menschenmenge, die jemand zuhörten.
Ich traute meinen Augen und Ohren nicht, denn es war Mama Anne, die dort den Leuten predigte. Vorsichtig schlich ich mich ganz heran, und wunderte mich noch mehr, denn sie predigte in Kimongo, unserer Mongosprache von Basankusu. Die Leute hörten ihr zu und man merkte, daß sie von allen gut verstanden wurde, obwohl in der Gegend von Yangambi keine Mongos wohnen, sondern die Fomas, die überhaupt kein Kimongo verstehen. Da sah sie mich wieder, aber diesmal schimpfte sie nicht, sondern sagte: „Geh, und schau mal nach meinen armen Kindern in Ikau!“

Als wir hier hörten, daß ein Schiff in Ikau anlegte. Liefen wir so schnell wir konnten zum Ufer. Papa kam uns entgegen. Er war alleine, und Mama war nicht wieder gekommen. Papa hat uns alles erzählt, und dann haben wir wirklich alle Hoffnung aufgegeben, meine Mama jemals wiederzusehen.
1953 wurde Papa von der Arbeit entlassen, und wir zogen zurück in unser Dorf.
1954 ging ich nach Kinshasa, um die Höhere Schule zu besuchen.
Als ich erwachsen war, habe ich geheiratet und wir haben 4 Kinder bekommen.
Am Ende will ich noch sagen, daß wir nach der Nachricht aus Ägypten und dem Paket mit der Kupferplatte nichts mehr von meiner Mama Anne gehört haben.
Ich denke, daß sie so wie die alten Propheten inzwischen ihrem Herrn begegnet und am Ziel ihrer Reise angekommen ist. Amen!.
Ich, Thomas Longendja Bokakala.